Wie ich darauf kam, Kuscheln anzubieten

Es ist immer eine große Frage, wie es dazu kommt, dass der eigene Lebensweg so verläuft, wie es verläuft. Viele Menschen, Erfahrungen, Begegnungen und Ursachen wirken da zusammen. In diesem Artikel möchte ich teilen, wie ich beschlossen habe diese Dienstleistung anzubieten und zum cuddly bodyworker wurde.

 

Schon seit einigen Jahren beschäftige ich mich im Zuge meines eigenen Heilungsweges als Krebsüberlebender sehr intensiv mit Achtsamkeit, sozial engagierten Buddhismus, Körperarbeit und Heilung. Im Zuge dieser persönlichen Reise kam ich auch nach Berlin, da ich hier viele queere Menschen und Gemeinschaft kennenlernte, die bewusste Sexualität, Achtsamkeit und Queerness verbinden und integrieren. Hierfür war besonders das Stretch Festival Berlin und die village.berlin Community sehr prägende Orte für mich.

 

Dort lernte ich tiefer kennen, wie viele Formen nicht-sexueller, absichtsloser, platonischer Berührungen außerhalb einer sexuellen Beziehung oder außerhalb sexuellen Interesses möglich sind. Auf den Stretch Festivals, war ich erstaunt und berührt davon, überall sich umarmende queere Männer*, kleine Kuschelhaufen und ganz viel wertschätzende und warme Umgangsformen zu sehen, die nicht das Ziel hatten, in eine sexuelle Richtung zu gehen. Wie die meisten von uns wurde ich so geprägt, dass "Kuscheln" und innige, herzliche Berührungen in romantische oder sexuelle Beziehungen gehören und für Freundschaften "zu viel" oder komisch sind, obwohl ich immer "touchy" war und sehr innig mit Freund*innen umging.

 

Das Stretch Festival war für mich ein sehr einschneidendes Erlebnis und hat ganz viele neue Türen aufgemacht, sodass ich mich 2018 auch gleich entschloss, an einer intensiven Selbsterfahrungsgruppe für queere Männer*, dem One Year Training von authentic eros bei Kai Ehrhard teilzunehmen. Ich verbrachte über das Jahr verteilt fünf Wochen mit 25 Männern und bin in einen sehr tiefen Prozess eingetaucht. In diesem habe ich mir meine Persönlichkeit, meine verschiedene Anteile, Queerness, Männlichkeitsbilder, sexuellen Bedürfnisse und Prägungen nochmal ganz genau angesehen.

 

Im Zuge dieses Jahres habe ich immer öfter und ganz natürlich mehr und mehr platonische Berührung im Kontakt mit meinen Freund*innen und Jahrestrainings-kollegen mit eingebaut: Kuscheln, gemeinsam umschlungen schlafen, gegenseitige Massagen, tanzen, raufen oder play-fighten, streicheln und so weiter. 

 

Ich merkte, wie ich es so genoss, berührt zu werden und zu berühren und dies einfach mehr in mein Alltagsleben zu integrieren. Ebenso bekam ich sehr viel wertschätzendes Feedback, wenn ich Menschen berührte. Kurzum lernte ich in diesem Jahr, dass Berührung ein unglaubliches Potenzial hat, fundamental für Gesundheit und Lebensfreude ist und ich Lust verspürte, selbst damit zu arbeiten.

 

Die Initialzündung

 

Im Winter nach dem Training – das war also 2018/19 war ich  auf Urlaub in Südost Asien. Als ich zwischen zwei Destinationen zwei Tage in Bangkok verbrachte, lernte ich auf einer Dating App einen sehr interessanten Menschen kennen, mit dem die Idee Kuscheln anzubieten, dann quasi gezündet wurde.

 

Dieser tolle Mensch ist Meditationlehrer, Buddhist und auch ein kinky schwuler Mann, der seine Sexualität sehr selbstbewusst und frei lebt. Wir trafen uns für einen Tee in einem traditionellen Viertel der chinesischen Minderheit in Bangkok und redeten sehr viel über Spiritualität, Queerness, schwule Sexualität, soziale Gerechtigkeit und wie wir diese Aspekte verknüpfen.

 

Ich erzählte meinem Gegenüber von meinen Erfahrungen in Berlin, dem Stretch Festival und Jahrestraining, und dass ich überlege,  Berührung oder sexuelle Begleitung anzubieten. Ich erfuhr daraufhin, dass mein Gesprächspartner mehrere Jahre als Escort und Sexarbeiter arbeitete und sich auf BDSM und Dominanz-Unterwerfung spezialisierte. Zu ihm kamen also Leute, die z.B. gefesselt, degradiert, ausgepeitscht wollten und die es genossen, sich jemanden unterzuordnen, auszuliefern und Macht abzugeben.

 

Mein Gegenüber erzählte mir dann etwas, dass mich erstaunte. Er meinte, dass 90% seiner Kunden eigentlich andere Bedürfnisse hatten, nämlich zum Beispiel gesehen und gehalten zu werden, Sicherheit zu erfahren und sie auf emotionaler, spiritueller und körperlicher Ebene einfach berührt werden wollten. Das, was ihn erfolgreich machte, war also nicht nur sein technisches Wissen und Können, sondern sein Einfühlungsvermögen, Empathie und seine Fähigkeit, die Menschen liebevoll zu sehen und anzunehmen, wie sie sind.

 

Ich war total erstaunt. Ich wusste damals auch schon, dass Menscehn sehr heilsame Erfahrungen bei Sexarbeiter_innen machen können. Ich dachte mir dann: „Wenn Menschen dafür bezahlen sich einem Dominator oder einer Domina auszuliefern, um Geborgenheit, Gesehen werden und Berührung zu erfahren, vielleicht gibt es dann auch Menschen, die einfach direkt nach dem suchen, ohne die BDSM Komponente.“

 

Nach unserem Gespräch war ich sehr sehr inspiriert. Ich war so dankbar und freute mich, weil ich wiedermal sah, wie zum passenden Zeitpunkt, die richten Menschen in mein Leben kommen.

 

Nach meinen Urlaub habe ich dann begonnen zu recherchieren, was es so für Menschen und Zugänge gibt, die Intimität und platonische Berührung anbieten. Ich lernte zunächst Menschen kennen, die sexuelle Begleitung für Menschen mit Behinderungen anbieten und bin dann auf die Kuschelbewegung oder das „cuddle movement“ gestoßen.

 

Ich habe Kuschelparties kennengelernt und schließlich entdeckt, dass es auch Menschen gibt, die Methoden und Konzepte entwickelten, wie man Kuscheln in 1:1 Sessions anbieten kann. Ich stieß auf Ausbildungen wie z.B. von cuddlist.com oder Angeline Heilfort vom Kuschelraum.de.

 

Vor circa einem Jahr fasste ich den Plan, mich selbstständig zu machen. Mit der Corona Krise und dem ersten Lockdown begann ich intensiv zu arbeiten, zu lesen, recherchieren, mich auszubilden und zu vernetzen. Ich absolvierte einen online Lehrgang mit cuddlist.com und nahm an der Kuscheltherapie-Ausbildung des Kuschelraums teil.

 

Es erfüllt mich mit sehr viel Freude diese Arbeit entdeckt zu haben und anbieten zu können!

 

Links

 

stretch.festival Berlin

 

Authentic eros – Jahrestraining

 

Cuddlist.com - professional cuddle therapy

 

Kuschelraum.de